Allegato alla rivista "Confini" n. 1/2001 |
Anno 1 - Nr. 1 |
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ÜBERLEGUNGEN ZUR EINÄSCHERUNG IN SÜDTIROL |
Wer über ein gutes Gedächtnis verfügt und für einen Moment Lust hat, einige Jahre zurückzublicken, wird mit mir übereinstimmen; vieles hat sich in punkto Feuerbestattung geändert. Ich meine insbesondere die öffentliche Meinung, die sich vor der Neuigkeit scheute oder besser ausgedrückt, vor der Andersartigkeit, da eigentlich die Feuerbestattung nichts neues ist (sie begleitet die Menschen seit der Urzeit). Das Festhalten an gewisse Stellungnahmen, um eine gelassene Unterhaltung über den Tod aus dem Wege zu gehen, machte unsere fortwährend aufgesuchten Gesprächspartner pathetisch. Es zeigten wahrlich wenige Politiker Offenheit auf diesem Gebiet. Ich erinnere mich vor allem an die Gesprächsbereitschaft des damaligen Vizebürgermeisters der Gemeinde Bozen in den ersten neunziger Jahren. Ihm ist es zu verdanken, dass vieles in Gang gesetzt wurde und der Gedanke ein Krematorium in Bozen zu bauen, Fuß fasste. Wie jeder weiß, ist die Anlage nun bereits tätig. Wenn damals einige Politiker und öffentliche Amtsträger das Thema scheuten, so stellte sich die Presse ebenso taub und stumm. Unsere Artikel wurden zwar veröffentlicht, aber reduziert, vereinfacht und als Kuriosum hingestellt. In den verschiedenen Kreisen war der Spott allgemein und der Hohn oft dumm und unangebracht. Doch Überzeugung und Beharrlichkeit haben Früchte getragen und heute stehen die Dinge anders. Gespräche über die Feuerbestattung sind kein Tabu mehr, das es zu überwinden gilt. Es ist nicht mehr nötig, sich fast aufzudrängen, um das Wissen um diese Kultur weiterzugeben: Immer häufiger wird der Südtiroler Verein eingeladen, Vorträge abzuhalten und diese bescheidene aber handfeste Errungenschaften beweisen, dass jedermann richtig gehandelt hat. Wenn es um die Feuerbestattung geht, ist es unvermeidlich sich mit der Religion auseinander zu setzen, welcher Konfession auch immer jemand angehört. Der Tod und die Geburt sind Ereignisse in denen das Leben innerhalb seiner großen Laufbahn die Dramatik und Schärfe seiner Grenzen aufzeigt. In diesem Zusammenhang ist die Verbindung zum Unfassbaren und zum Geistigen unumgänglich. Dies bildet die Brücke zur Religion, zu welcher auch immer. Glauben, nicht glauben, woran glauben gehört in den Bereich der eigenen tiefsten Überzeugungen und niemand darf durch Beurteilungen persönliche Ansichten verfälschen. In den öffentlichen und bekanntesten Konfessionen ist das Verhältnis zur Feuerbestattung sehr verschieden und oft zu entgegengesetzten und extremen Werten gebracht. Die Bewertung so widersprüchlicher und paradoxer Tendenzen ist kein Kinderspiel und verlangt eine besondere Zuwendung und Ergründung des Themas. Sicherlich haben geschichtliche Wendungen die Einäscherungskultur zutiefst geprägt, da noch heute ihre Anerkennung in den verschiedenen Konfessionen streitig und schwerfällig ist. Wofür ich weniger Verständnis aufbringe, ist die Zaghaftigkeit, die Unklarheit, das Zusagen mit Vorbehalt, das offizielle Ja und der gleichzeitige Ratschlag doch den üblichen Brauchtum zu bevorzugen. Warum diese verschleierte Form der Zusage, mit der Furcht ein eingefahrenes, sicheres System unter Druck zu setzen? Was macht das für einen Unterschied zwischen einer Bestattungsart und der anderen, wo doch beide die Ehrung des Verstorbenen und die Würdigung seiner zu Lebzeiten ausgedrückten geistigen Überzeugungen anzielen? Hier ist um die Einäscherung Aufklärungsarbeit zu leisten, nicht mehr in Richtung Politiker und Amtsträger, denen die Vorteile und die Einfachheit des Vorganges ein Begriff geworden sind, sondern dort, wo der Schatten eines verjährten Obskurantismus die Gedanken gefangen halten. Ich hege keinen Zweifel, dass dies möglich sei, denn zuletzt nimmt die Kultur überhand und die Logik übertrumpft den Aberglauben. Die Geschichte hat dies seit eh und je bewiesen.
Dies ist der
Grund für den in wenigen Jahren verbuchten Erfolg der Einäscherung, der in der
Mitgliederzahl der Socrem Ausdruck findet. Die Menschen sind aufgeschlossen,
verlangen Klarheit und haben das Bewusstsein, mit ihrem eigenen Kopf schwierige
Themenkreise angehen und begreifen zu können, selbst im Bereich des Geistes und
der introspektiven Analyse. Wichtig ist es, zu vertiefen, zu denken und die Hürden
der Vorurteile zu überwinden und gesprächsbereit zu sein mit jenen, die andere
Ansichten vertreten, ohne sich in vorgekauten, starren Stellungnahmen zu
verkrampfen. Die Feuerbestattung verdient es, in ihrem langen und wechselhaften
Dasein, Achtung und Respekt zu bekommen, da sie Ausdruck hoher, symbolischer
Werte ist, die das Feuer einwandfrei darzustellen vermag. Ein Ritus der in einer
handvoll Asche eine warme Erinnerung zurücklasst, warm wie ein Mutterleib.
Dr. Enrico Farina
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